Schriftenarchiv

Hans Himmelheber war zeit seines Lebens ein äusserst produktiver Autor und gleichzeitig Archivar seiner eigenen Tätigkeit. Er publizierte regelmässig und pflegte eine sorgfältige Ablage, die er allerdings immer wieder neu ordnete. Sie wurde zur Quelle weiterer Arbeiten und Veröffentlichungen. Unermüdlich schöpfte er Wissen aus seinen Notizen und so blieb sein Archiv lebendig und glich einem dynamischen Wissensspeicher, den er immer wieder neu befragte.

Esther Tisa Francini
17.03.2023



Register eines Ordners mit Feldnotizen
MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-01.13

Archivordnungen

Nach seinem Tod 2003 verblieb Himmelhebers Nachlass in Heidelberg. Sein Sohn Eberhard Fischer begann 2008 das schriftliche Vermächtnis des Vaters durchzusehen und sukzessive nach Zürich zu transferieren. Dabei ging er selektiv vor und vernichtete auch Unterlagen; so zum Beispiel Dokumente über Erbstreitigkeiten rund um ein Landhaus in Bernbach, Familienbriefe an zwei nahestehende Kollegen, aber auch einen Grossteil der Buchhaltung sowie die Korrespondenzen mit dem Erich Röth Verlag und dem Rotary Club. Der grösste Teil des Nachlasses – schätzungsweise neunzig Prozent – blieb jedoch erhalten. Dadurch dass Eberhard Fischer die von Himmelheber angelegten Aktenordner teilweise neu zusammengesetzt und Material aussortiert hatte, entsprach die Ordnung des Nachlasses, wie er dem Museum Rietberg übergeben wurde, nicht mehr in allen Fällen der «mobilen Ordnung» Hans Himmelhebers.

Ansicht des archivierten Nachlasses im Museum Rietberg Zürich
Fotografie: Esther Tisa-Francini

Nachdem Hans Himmelheber ab Mitte der 1980er Jahre dem Museum Rietberg erste Leihgaben selbst übergeben hatte, erwarb das Museum nach und nach weitere Objekte aus seinem Besitz. Auch wurden Objekte mit der Provenienz Himmelheber auf dem Kunstmarkt erworben. Auf diese Weise gewann Himmelheber als Sammler und Forscher für das Museum zunehmend an Bedeutung und es wurde gleichsam zu seinem Nachlassverwalter: 2013 übergab die Erbengemeinschaft dem Museum Himmelhebers gesamtes Fotoarchiv, wenig später folgte die Schenkung bedeutender, von ihm erworbener Kunstwerke. Im Sommer 2016 fand dann eine erste Sichtung des schriftlichen Nachlasses statt, so dass 2017 auch dieses umfangreiche Schriftenkonvolut ins Museum überführt werden konnte.1 In den folgenden Jahren wurde ein Findmittel2 erstellt (siehe unten für Download), das auf 200 Seiten die Bestände verzeichnet und anlässlich der Ausstellung über Hans Himmelheber der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Interessierte Forscherinnen und Forscher können nach Anmeldung die Akten einsehen, die, bis auf wenige Ausnahmen, noch nicht digitalisiert sind.

Warenbuch Museum Rietberg
MRZ, Schriftenarchiv

Bestandsbeschreibung


Der Nachlass besteht aus Reisenotizen, wissenschaftlichen Erhebungen und Beobachtungen, Manuskripten und Rohfassungen von später publizierten Texten sowie aus einer umfangreichen Korrespondenz mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Kolonialbeamten, Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, Kunsthändlerinnen und Galeristen, mit Verlagen und seiner Familie. Das Himmelheber-Archiv deckt eine Zeitspanne von sieben Jahrzehnten ab – von den 1930er Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 2003. Familienakten aus der Zeit danach – wie zum Beispiel Nachrufe und wissenschaftliche Anfragen – sind, sofern sie für die Erforschung seiner Tätigkeit relevant sind, ebenfalls integriert. Der grösste Teil des Bestandes umfasst die Zeit zwischen den 1950er und 1980er Jahren. Aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sind hingegen nur vereinzelte Unterlagen erhalten, da die Wohnung in Karlsruhe, wo Hans Himmelheber vor dem Krieg lebte, 1942 ausgebombt wurde. Seine frühe Tätigkeit als Händler, seine Studentenzeit und seine ersten Reisen nach Afrika und Alaska sind deshalb nur in Bruchteilen dokumentiert. Diese frühe Phase von Himmelhebers beruflicher Aktivität muss deshalb überwiegend über Gegenüberlieferung rekonstruiert werden.

Brief von Hans Himmelheber an das Musée d’ethnographie de Genève

1932

Archiv des Musée d’ethnographie de Genève

Um den bestehenden Nachlass zu strukturieren, wurden die Ordner und Mappen grob in die folgenden fünf Bereiche unterteilt und in diesen verzeichnet: (1) Forschungsreisen, (2) Korrespondenz, (3) Buchhaltung und Handel, (4) wissenschaftliche Arbeiten und (5) persönliche Dokumente. Diese fünf Abteilungen sind nicht immer scharf voneinander zu trennen, da Himmelhebers Tätigkeiten als Forscher, Sammler und Händler ineinanderfliessen. Mittels Querverweisen im Findmittel werden Bezüge innerhalb der einzelnen Themen hergestellt.

Der Bestand zu den Forschungsreisen enthält Feldnotizen, Tagebücher und Briefe, die während der Reisen von Hans und auch von Ulrike Himmelheber verfasst worden sind. Dazu zählen Unterlagen, die die aufwendigen Vorbereitungen und die Organisation der Reisen dokumentieren sowie Schriftstücke zu finanziellen Fragen. Auch die Dokumente zu den Film- und Tonaufnahmen, die auf den Reisen entstanden sind, sind hier archiviert.

Tagebuch der Forschungs- und Sammelreise 1974/75
MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-02.12

Der umfangreiche Bestand der Korrespondenz umfasst sowohl Himmelhebers berufliche als auch private Briefwechsel. Chronologisch und alphabetisch geordnet breitet sich hier ein lebendiges Panorama an Kontakten mit Institutionen, Händlerinnen und Händlern und Kolleginnen und Kollegen aus. Darunter befinden sich französische, englische oder belgische Kolonialbeamten sowie deutsche Museumsdirektoren (teils ehemals Mitglieder der NSDAP, die in der Nachkriegszeit wiedereingesetzt wurden)3, aber auch viele Schweizer Museumleiterinnen und -leiter, die für Hans Himmelheber von Anfang an wichtige Kontakte darstellten. Sein Netzwerk umspannte drei Kontinente mit Kontaktpersonen in Europa, Amerika und Afrika.

Mit welcher Akribie Hans Himmelheber kaufmännische Arbeiten erledigte, zeigt sich in seiner Buchhaltung, in den Wareneingangs- und Warenausgangsbüchern sowie anhand der zahllosen Belege und Rechnungen. Minutiös vermerkte Himmelheber auf Sammlungslisten Angebote, Daten, Preise und mögliche Interessenten und Abnehmerinnen. Manche Objekte musste er mehreren Leuten anbieten, bevor er einen Käufer oder eine Käuferin fand. Als Forscher, Händler und Sammler war er zeitlebens unabhängig und institutionell nicht eingebunden. Er ernährte sich und seine fünfköpfige Familie durch institutionelle Forschungs- und Sammelaufträge, durch Publikationen, Vorträge und Radiobeiträge sowie durch den Verkauf von geschnitzten, gewebten und gegossenen Werken, zoologischen Objekten und Fotografien.

Haushaltsbuch
MRZ, Schriftenarchiv, HH.03-08 Teil 4 von 5

Die wissenschaftlichen Arbeiten, darunter Himmelhebers zahlreiche Manuskripte, die die Grundlage für seine rund hundert Publikationen bildeten, sind im vierten Bereich erschlossen. Hier finden sich auch Medienberichte sowie Unterlagen zur akademischen Lehre in den Vereinigten Staaten.

Schliesslich sind in einem letzten Bereich die persönlichen Dokumente sowie Informationen zu seiner eigenen Sammlung Kunst Afrikas aufbewahrt.

Der rund acht Laufmeter umfassende Bestand lässt sich folgendermassen charakterisieren: Ein grosser Teil der Akten befasst sich mit der wissenschaftlichen Verarbeitung seiner Forschungsreisen und diente ihm als Grundlage für Vorträge, Publikationen und teilweise für die universitäre Lehre. Ein zweiter, ebenfalls bedeutender Teil widmet sich dem Handel mit «ethnologischen» und zoologischen Objekten wie Holzschnitzereien und Bronzegüssen aber auch präparierten Schmetterlingen und Affenschädeln. Er belieferte damit nicht nur Völkerkundemuseen, sondern auch zoologische Forschungsinstitute in Bonn, München oder Frankfurt am Main.

Warenausgangsbuch
MRZ, Schriftenarchiv, HH.03-01.02

Wissenschaft und Geschäft

Die Besonderheit des Archivs liegt im doppelten Charakter von Hans Himmelhebers Unternehmungen begründet, die sowohl wissenschaftlicher als auch merkantiler Natur waren. Das Archiv liefert denn auch spannende Erkenntnisse, die nicht nur die Wissensproduktion zur Kunst Afrikas, sondern auch den Handel mit «ethnologischen» und zoologischen Objekten und die dazu nötigen Aufwendungen betreffen. So zeigt sich beispielsweise, dass Himmelheber weniger mit teuren Einzelstücken handelte, sondern hauptsächlich mit günstigen Objekten, deren Verkaufspreise sich häufig im Bereich zwei- oder dreistelliger Beträge bewegten. Aus Tagebucheinträgen wird deutlich, wie stark Himmelheber die Schulden bedrückten, die mit der Finanzierung einer Reise einhergingen, und wie erleichtert er war, wenn das «Sammeln» erfolgreich war und er mit vielen Objekten im Gepäck nach Europa zurückkehren konnte. Später, als die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und auch andere Geldgeber seine Reisen mitfinanzierten, wog diese ökonomische Last wesentlich weniger schwer.

Download des Findmittels zum Schriftenarchiv

1

Das Museum Rietberg hat 2011 ein eigenes Schriftenarchiv aufgebaut. Zwar sind einzelne Bestände des Museums im Stadtarchiv Zürich zugänglich, bedeutende Konvolute befinden sich jedoch im hauseigenen Schriftenarchiv für die Forschung und die Dokumentation der Geschichte und der Sammlungen.

2

Das Findmittel wurde von Daniela Müller im Rahmen ihres Masterabschlusses an der Universität Zürich bei Prof. Dr. Gesine Krüger unter fachlicher Beratung durch Esther Tisa Francini erstellt.

3

Z.B. Martin Heydrich, Direktor Rautenstrauch-Joest-Museum sowie Bernhard Grzimek, Zoodirektor Frankfurt am Main.

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