Reisen
Hans Himmelheber führte im Zeitraum zwischen 1933 und 1976 insgesamt vierzehn Reisen in West- und Zentralafrika sowie – einmalig – in Alaska durch. Neben der heutigen Côte d’Ivoire und Liberia, die im Zentrum seiner Reiseaktivitäten standen, bereiste er auch Mali, Gabun, Kamerun und die heutige Demokratische Republik Kongo. Dabei war er stets auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung angewiesen, er hatte Helfer und Mitarbeiter, die mit ihm unterwegs waren, und wurde später auch von Familienmitgliedern begleitet. Während seiner teils monatelangen Aufenthalte führte er kunstethnologische Forschungen durch, schrieb, filmte und fotografiert und erwarb zahlreiche Objekte, die er zur Sicherung seines Lebensunterhaltes an Museen und Galerien weiterverkaufte.
Daniela Müller
17.03.2023
Hans Himmelhebers Reisen waren ein zentraler Schauplatz der Wissensproduktion zur Kunst Afrikas. Während seiner Reisen nahm er mehr als 15'000 Fotografien, sowie diverse Film- und Tonaufnahmen auf. Seine wissenschaftlichen Tätigkeiten beruhten auf den Beobachtungen, Befragungen und multimedialen Dokumentationen, welche er während dieser Aufenthalte in Afrika und Alaska tätigte. Auch die Objekte, die er auf den Reisen erwarb, dienten nicht nur zum Verkauf an Museen und Galerien, denn Himmelheber nutzte die Beschreibung und Analyse der Objekte auch für seine Publikationstätigkeit.
Himmelheber reiste selten allein, sondern wurde von lokalen Mitarbeitern, Familienmitgliedern und anderen Mitreisenden bei der Arbeit unterstützt.
In der Nachkriegszeit war seine Frau Ulrike die wichtigste Mitarbeiterin auf den gemeinsamen Reisen. Zusammen mit ihr reiste er zwischen 1949 und 1976 fünfmal nach Liberia und in die Elfenbeinküste. Auch sein Sohn Eberhard Fischer, mit dem er später mehrfach gemeinsam publizierte und Ausstellungen kuratierte, begleitete ihn ab 1960 auf zwei dieser Reisen. Die letzten Forschungsreisen in den 1970-er Jahren waren zu einer wahren Familienangelegenheit geworden, an denen nun auch seine Schwiegertochter Barbara Fischer und der jüngere Sohn Martin Himmelheber teilnahmen.
Reisemethoden
Wie Himmelheber reiste, veränderte sich im Verlauf der Zeit stark: Die Anreise aus Europa fand in den frühen Jahren meist mit dem SchiffA, später auch mit dem Flugzeug statt. Schon früh nutzte Himmelheber auch Inlandflüge, so etwa 1936/37 in Alaska1 oder 1952 in Liberia für einen Lastentransport zwischen Kpeaple und Tappita.2 Schon auf seinen ersten Reisen in den 30-er Jahren nutzte Himmelheber auch AutosB, mit denen er jeden Tag grössere Strecken zurücklegen konnte. So erwarb er beispielsweise 1939 im belgischen Kongo ein Auto, das allerdings sehr pannenanfällig war.3 Zuvor konnte er ab und zu bei Missionaren oder Beamten mitfahren.
Die frühen Reisen während der Kolonialzeit in den 1930-er und 1950-er Jahren konnten jenseits der befahrbaren Strassen jedoch nur mit Trägern durchgeführt werden, die Gepäck, Ausrüstung und die von Himmelheber erworbenen Objekte transportierten. In der Zeit der Dekolonisierung in den 1960-er Jahren und mit der zunehmend besseren Infrastruktur verloren die Träger an Bedeutung und die Reisen wurden danach primär mit dem Auto durchgeführt.C
Die Reisen vor Ort waren vor allem in den 1930-er bis 1950-er Jahren mit oft grossen körperlichen Anstrengungen und logistischen Problemen verbunden. Himmelheber legte hunderte von Kilometern zurück, oft zu Fuss und mit einer Gruppe von TrägernD,E,F oder im Auto, Schiff oder Boot, teilweise aber auch auf dem Pferderücken wie 1938 im Kameruner GrasslandG,H,oder getragen von einheimischen Lastenträgern in einer Tipoye – einer sänftenartigen Tragekonstruktion wie 1938/39 im Belgisch Kongo und 1935 in der Côte d'IvoireI.
Die einheimischen Träger spielten für Himmelhebers frühe Reisen in der Côte d'Ivoire und Liberia aber auch im Belgisch-Kongo, Kamerun und Gabun eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Reiselogistik. Wie für viele europäische Reisende in West- und Zentralafrika vor ihm – ob Wissenschaftler, Missionare oder Kolonialbeamte – wäre für Himmelheber ein Gelingen des ohne die Hilfe von Trägern kaum möglich gewesen.4 Ihr Beitrag zum Erfolg von Himmelhebers Forschungs- und Sammelaktivitäten ist kaum zu überschätzen, auch wenn die Beziehung zu den Trägern teilweise von Konflikten, Misstrauen und Zwang geprägt war.5
Unterkünfte
Die von Himmelheber genutzten Unterkünfte reichten von Hotels in grösseren Orten und Städten wie MonroviaJ und AbijdanK bis zu Gästehäusern, Missionsstationen und Privatunterkünften in den von ihm besuchten Dörfern.
Zu den Gastgeber:innen in entlegeneren Gegenden gehörten Missionarsfamilien wie die Familie Kronemeyer im liberianischen Dorf Kpeaple im Jahr 19526 und 19557 oder Himmlheber wurde – wie im liberianischen Dorf Kahnple im Jahr 1950 - von lokalen Würdenträgern wie dem Paramountchief Mongru beherbergt8 oder übernachtete in Häusern, die ihm von der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden.
Ein besonderer Fall ist das liberianische Dorf Nyor Diaple, in welches Himmelheber im Verlauf seiner Forschungskarriere immer wieder zurückkehrte. Hier wurde ihm im Jahr 1960 – als auch seine offizielle Aufnahme in die Lano-Familie stattfand – angeboten, dass die Dorfgemeinschaft ihm ein Haus bauen würde.9 Himmelheber nahm das Angebot jedoch allem Anschein nach nicht an und wohnte bei seiner Rückkehr ins Dorf in den 1970er-Jahren schliesslich als Gast im Haus seines langjährigen Mitforschenden und gelegentlichen Co-Autors George Tahmen.L
In den 1930-er bis frühen 1950-er Jahren reisten Himmelheber und seine Begleiterinnen und Begleitern in West- und Zentralafrika oft mit relativ grosser Geschwindigkeit von einem Ort zum nächsten und blieben nur selten mehr als ein paar Tage an einem Ort, was eine grosse logistische Herausforderung war, da es ein ständiges Umpacken des Gepäcks und den kontinuierlichen Transport der erworbenen Objekte nötig machte. In der Nachkriegszeit wurde das Reisen aufgrund der zunehmend besseren Infrastruktur deutlich komfortabler. Schon 1960 nannte er in einem Brief an seine Frau Ulrike seinen Aufenthalt in Nyor Diaple im Vergleich zu ihren gemeinsamen Reisen in den 1950-er Jahren eine "Luxus-Expedition".10
Finanzierung
Die ersten Reisen, die Himmelheber 1933 und 1934/35 in die Côte d'Ivoire sowie 1936/37 nach Alaska durchführte, wurde zu bedeutenden Teilen durch die Gelder von Museen und Galerien finanziert, die in Gegenzug dafür Anteile an den ethnologischen Objekten erhielten, die Himmelheber in ihrem Auftrag erwarb.11 Auch seine zweieinhalb Jahre dauernde Reise durch Nigeria, Kamerun, Gabun und den belgischen Kongo 1938 und 1939 wurde durch Vorschüsse der ethnologischen Museen in Basel (heute Museum der Kulturen Basel) und Genf sowie der Galerien Ratton in Paris und Weyhe in New York finanziert, welche einen Teil der in ihrem Auftrag angekauften Objekte erhielten.12
Die erste Reise, welche Himmelheber 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg antrat – nun zum ersten Mal zusammen mit seiner Frau Ulrike – war teilweise ebenfalls noch von solchen Vorschüssen für den Erwerb ethnologischer Objekte gedeckt.13 Gleichzeitig finanzierten sich Hans und Ulrike Himmelheber durch Beiträge für den Südwestdeutschen Rundfunk sowie durch den Verkauf naturkundlicher Objekte.14
Ab 1952 traten die Museen und Galerien bei der Finanzierung der Reisen in den Hintergrund und der Fokus verschob sich zunehmend auf eine Finanzierung der Forschungen durch die öffentliche Hand – wobei Himmelheber einen Teil der bei den Reisen erworbenen ethnologischen und naturkundlichen Objekte weiterhin an Museen, Galerien und einzelne Privatpersonen verkaufte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Als Geldgeber, die zur Finanzierung der Reisen Vorschüsse gewährten, traten in den 1950er Jahren unter anderem der Süddeutsche Rundfunk15, der Südwestdeutsche Rundfunk16, die Universitätsgesellschaft Heidelberg17, das Kultusministerium Baden-Württemberg18, aber auch Privatpersonen und Firmen19 in Erscheinung, wobei die grössten Summen vom Süddeutschen Rundfunk gesprochen wurden. In den 1960er Jahren wurde neben dem Kultusministerium Baden-Württemberg, welches weiterhin eine massgebliche Rolle in der Finanzierung der Forschungsreisen spielte20, auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)21 und das Institut für den Wissenschaftlichen Film in Göttingen zu wichtigen Geldgebern.22 Die letzten drei Reisen, welche in der ersten Hälfte der 70er Jahre stattfanden, wurden schliesslich wiederum von der DFG unterstützt.23
1
Vgl. MRZ, Fotoarchiv, FHH 12-1 bis -18.
2
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-06.02, Teil 2, Brief von Hans Himmelheber an Ulrike Himmelheber, 26.12.52
3
Vgl. Guyer, Mann und Maschine, S.84-88.
4
Vgl. Pieter und Malzner, Einleitung, S.11-29.
5
Vgl. zB. MRZ Schriftennachlass Himmelheber, HH.01-02.02, Handschriftliches Tagebuch Ulrike Himmelheber, Eintrag 14.01.50 sowie MRZ Schriftennachlass Himmelheber, HH.01-06.02, Teil 2, Expeditionskorrespondenz, Brief an Ulrike Himmelheber, 28.11.52.
6
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-06.02, Teil 2, Brief von Hans Himmelheber an Ulrike Himmelheber, xx.xx.1952.
7
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-02.04, Tagebuch von Ulrike Himmelheber, xx.12.1955
8
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-02.02 Handschriftliches Tagebuch von Ulrike Himmelheber, Eintrag vom 13.02.50 ff.
9
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01.02-05, Brieftagebuch von Hans Himmelheber, Brief an Ulrike 04.11.1960.
10
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01.02-05, Brieftagebuch von Hans Himmelheber, Brief an Ulrike 21.10.1960.
11
Vgl. Archiv des Museums für Völkerkunde München, Brief Himmelheber an Prof. Dr. Lucian Scherman, 27.11.32.
12
Vgl. Oberhofer, Im Spannungsfeld zwischen Forschen und Sammeln, S.40f.
13
Vgl. MRZ Schriftennachlass Himmelheber, HH.01-03.01, Auflistung der Geldgeber.
14
Vgl. Archiv des Naturhistorischen Museums Basel, Brief Hans Himmelheber an Prof. Handschin und Dr. Bühler, 05.06.1950 und Lohnkarten, Archiv des SWR.
15
Vgl. MRZ, Schriftenarchiv, HH.01-03.02, Auflistung der Geldgeber.
16
Vgl. Ebd.
17
Vgl. Ebd.
18
Vgl. Ebd. HH.01-03.03, Auflistung der Geldgeber.
19
So beispielsweise die Firma Freudenberg in Heidelberg und der deutsche Chemiker Hans Plieniger (Vgl. MRZ Schriftennachlass Himmelheber, Auflistung der Geldgeber. HH.01-03.01 und HH.01-03.02)
20
Vgl. MRZ Schriftennachlass Himmelheber, HH.01-03.04 und .07, Auflistung der Geldgeber.
21
Vgl. Ebd. HH.01-03.06, Verwendungsnachweise der Reisebeihilfe.
22
Vgl. Ebd. HH.01-03.08.
23
Vgl. Ebd. HH.01-03.09 und .10.