Kreativität und Innovation bei Kuba-Textilien
Michaela Oberhofer
17.03.2023
Bei den verschiedenen Untergruppen der Kuba waren sowohl Architektur, Masken, Körperschmuck als auch Alltags- und Prestigegegenstände kunstvoll mit geometrischen Motiven verziert.1 Am bekanntesten sind die Kuba jedoch für ihre Textilkunst. Aufgrund ihrer grafischen Muster waren die aus Raffia hergestellten Stoffe bereits früh bei Malern wie Gustav Klimt, Paul Klee, Pablo Picasso oder Henri Matisse beliebt. Ungewöhnlich war, dass bei den Kuba nicht nur Männer, sondern auch Frauen künstlerisch tätig waren. Die Vorproduktion der Raffia-Textilien übernahmen die Männer. Sie arbeiteten an einem vertikalen Webstuhl, dessen Masse durch die etwa ein Meter langen, aus der Raffiapalme gewonnenen Fasern festgelegt waren. Und auch die Bordüren fertigten Männer an. Die feinen Stickereien und Applikationen jedoch wurden – teils in monatelanger Gemeinschaftsarbeit – von Frauen hergestellt. Besonders aufwendig war die Schnittflortechnik, wobei ein Faden mit einer gebogenen Nadel durch den gewebten Grundstoff gezogen und dann kurz über der Oberfläche abgeschnitten wurde.2
Als Hans Himmelheber 1939 die Region der Kuba besuchte, konnte er in den Dörfern nicht nur eine rege Kunstproduktion beobachten, sondern auch feststellen, dass das Tragen von Raffiakleidung noch üblich war. Die viereckigen Stoffteile wurden zu langen Bahnen zusammengenäht, dekoriert und als Wickelröcke bei speziellen Gelegenheiten wie Beerdigungen getragen. Die Frauen legten sich ihren Rock – ncák genannt – Schicht um Schicht um die Hüften und trugen darüber teilweise noch einen kürzeren Überrock mit Borte. Die Wickelröcke der Männer (mapel) waren manchmal über zehn Meter lang. Sie wurden jedoch anders getragen als die der Frauen. Die Männer falteten die lange Stoffbahn um ihre Hüfte und fixierten sie mit einem Gürtel, über den der obere Rand des Stoffes geklappt wurde. Dadurch hatten die Männer genug Beinfreiheit für ihre energischen Tanzbewegungen. Während die Silhouette der Frauen schmal blieb, war die der Männer ausladend und dynamisch.
Die Textilien verwiesen auf die soziale Stellung und den Reichtum der Trägerin oder des Trägers. Besonders feine und alte Stickereien mit Flor, von denen Hans Himmelheber einige Exemplare erwerben konnte, wurden früher nur von den Frauen am Hof des Kuba-Königs getragen. Um einem Verstorbenen Ehre zu erweisen, war es bei Beerdigungen üblich, mehrere Schichten Raffiastoff auf den Leichnam zu legen. In einigen wenigen Dörfern gehörte auch ein Rindenstoff (ncák ishyiin) zur Grabbeigabe, der aus kleinen dunklen und hellen Dreiecken zusammengenäht wurde. Während westliche Kleidung die traditionellen Stoffe im Alltag allmählich verdrängte, kamen die aufwendig verzierten Textilien noch in den 1980er-Jahren bei Beerdigungen zum Einsatz.
Das Kuba-Design ist von Irregularitäten und Asymmetrien sowie dem Nebeneinander von unterschiedlichen Farb- und Motivblöcken gekennzeichnet. Ein besonders schönes Beispiel ist die abgebildete Matte, die unter anderem bei Beerdigungen zur Schau gestellt wurde. Die Erfindung neuer Designvarianten brachte der Künstlerin oder dem Künstler einen Prestigegewinn. So liess sich der Kuba-König in den 1920er-Jahren nach dem Besuch eines Missionars von den Reifenspuren seines Motorrads zu einem neuen Muster inspirieren.3
Quelle:
Oberhofer, Michaela: Kreativität und Innovation bei Kuba-Textilien. in Nanina Guyer und Michaela Oberhofer (Hg.): Fiktion Kongo. Kunstwelten zwischen Geschichte und Gegenwart. Zürich: Museum Rietberg / Scheidegger & Spiess, 2019
1
Wie Hans Himmelheber richtig bemerkte, ist der Begriff «Bakuba» oder «Kuba» eine Fremdbezeichnung der benachbarten Luba (1940, S. 18f.). Die verschiedenen Kuba-Untergruppen, die eigene Chiefs hatten, aber alle die Autorität des Bushoong-Königs (nyimi) anerkannten, sprachen von sich selbst als «Leute des Königs». Untergruppen, die für ihre Textilkunst berühmt sind, waren laut Himmelheber die Shoowa («Bashowa»), Bushoong («Bushongo») und Ngoombe («Bangombe»). Zu Kuba-Textilien siehe Brincard, 2015 und Mack, 2012.
2
Aufgrund der flauschigen Oberfläche werden die Kuba-Textilien auch als velours, velvets oder «Plüsch» bezeichnet.
3
Nach Mack, 2012, S. 8.