Yves Sambu: Sapeurs damals und heute in der Fotografie
Nanina Guyer
17.03.2023
Die täglichen Auftritte der sapeurs machen Kinshasa und Brazzaville zu «Spektakelstädten» und la sape (als Abkürzung von Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes) zu einer Lebenskunst. Sapeurs sind extravagant gekleidete Männer und Frauen aus der Megalopolis Brazzaville/Kinshasa, deren äussere Erscheinung in Kontrast zu ihren Lebensumständen steht. Im Unterschied zum eher zurückhaltenden Brazzaville entwickelte sich in Kinshasa ein eklektischer Stil, in dem feinste Stoffe von Versace mit bestem japanischem Leder und klobigen englischen Stiefeln gemixt werden.1 Der kongolesische Fotograf und Künstler Yves Sambu hat an Modewettbewerben und Begräbnissen beeindruckende Porträts solcher exzentrisch gekleideten Männer und Frauen aus Kinshasa aufgenommen, die sie als heldenhafte urbane Figuren erscheinen lassen. In Sambus Fotos haben die sapeurs aufgrund ihrer Kleidung und Posen eine starke Präsenz, die über reine Eitelkeit hinausgeht.2 Denn la sape ist weit mehr als nur Kleidung; mit ihrem Aussehen und Auftreten artikulieren die sapeurs ihr Bedürfnis nach einer neuen sozialen Identität, die ihnen in den Grossstädten verwehrt bleibt.3
Die Ursprünge der sapeur-Bewegung finden sich in der frühen Kolonialzeit, als Chiefs und Hausangestellte von Europäern gebrauchte Kleidung aus Europa als Geschenk und Lohn erhielten. In den 1920er-Jahren setzten in Belgisch-Kongo aus Westafrika kommende, von den Palmöl-Firmen angestellte Männer, genannt popos, mit ihrem Kleidungsstil neue Trends. Auch Hans Himmelheber lichtete während seiner Reise Männer ab, deren Posen und Aufmachung den modernen sapeurs in nichts nachstehen. Als Yves Sambu die Fotos der hier abgebildeten Männer zum ersten Mal sah, rief er erstaunt: «Mais ils sont contemporain!» Die historischen und zeitgenössischen Fotografien weisen in der Tat verblüffende Ähnlichkeiten auf. Genauso wie die modernen sapeurs benutzten die Chiefs Kleidung, Attribute und Himmelhebers Kamera, um ein modernes Selbst zu artikulieren. Eine Verbindung zwischen damaligen und heutigen sapeurs lässt sich auch am Beispiel des in Rot gekleideten «Königs» aufzeigen. Er trägt um den Hals einen Anhänger, der einer Chokwe-Maske nachempfunden ist. Dies erinnert an Männer in der Pende-Region, die in den 1930er-Jahren als Zeichen des Widerstandes gegen die koloniale Ordnung ähnliche Anhänger trugen.
Quelle:
Guyer, Nanina: Yves Sambu: Sapeurs damals und heute in der Fotografie. in Nanina Guyer und Michaela Oberhofer (Hg.): Fiktion Kongo. Kunstwelten zwischen Geschichte und Gegenwart. Zürich: Museum Rietberg / Scheidegger & Spiess, 2019
1
Gondola 2019, S. 188.
2
Gondola 2019, S. 207.
3
Gondola 1999, S. 23.