Diaspora abb1 Kabongo1

Fiona Bobo
Kabongo

Aus Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse
2019, digitale Fotografie
Fiona Bobo, entstanden im Auftrag des Museums Rietberg Zürich

Diaspora abb2 Kabongo2

Fiona Bobo
Kabongo

Aus Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse
2019, digitale Fotografie
Fiona Bobo, entstanden im Auftrag des Museums Rietberg Zürich

Diaspora abb4 Toko2 DSC9567

Fiona Bobo
Toko

Aus Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse
2019, digitale Fotografie
Fiona Bobo, entstanden im Auftrag des Museums Rietberg Zürich

Diaspora abb3 Toko1 DSC9526

Fiona Bobo
Toko

Aus Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse
2019, digitale Fotografie
Fiona Bobo, entstanden im Auftrag des Museums Rietberg Zürich

Diaspora abb5 chaises bleues ausstellungsansicht

Fiona Bobo
Chaises bleues

2015, Installationsansicht

Diaspora abb6 chaises bleues 2015

Fiona Bobo
Ohne Titel

Aus Chaises bleues
2015, Handyfoto, C-Print, ca. 20 × 14 cm

Diaspora abb7 BWANIA ausstellungsansicht

Fiona Bobo
BWANIA

2015, Installationsansicht

Diaspora abb8 BWANIA ausstellungsansicht 3

Fiona Bobo
BWANIA

2015, Installationsansicht

Diaspora abb9 5

Fiona Bobo
Ohne Titel

Aus BWANIA
2015, Videostill

Diaspora abb10 7

Fiona Bobo
Ohne Titel

Aus BWANIA
2015, Videostill

Diaspora abb11 BWANIA me in african dress 2015

Fiona Bobo
Me in african dress

Aus BWANIA
2015, C-Print

Diaspora abb12 BWANIA marques 2014 2

Fiona Bobo
Marques

Aus BWANIA
2015, Handyfoto, C-Print

Diaspora abb13 BWANIA marques 2014 3

Fiona Bobo
Marques

Aus BWANIA
2015, Handyfoto, C-Print

Fiona Bobo: Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse.

Kongolesische Diaspora im Gespräch über Mode und Identität in der Schweiz

Laura Falletta
17.03.2023

Die multimediale Installation Mvuatu-­Mboka Na Biso – et la Suisse («Kleiderstil, unser Land und die Schweiz») ist die Arbeit der Zürcher Künstlerin Fiona Ndetani Bobo (geb. 1992) in Zusammenarbeit mit Fabrice Mawete (geb. 1983) und Antonin Wittwer (geb. 1992). Sie thematisiert Mode als kulturellen Aspekt der kongolesischen Diaspora in der Schweiz und gliedert sich damit in den Themenschwerpunkt «Design und Eleganz» der Ausstellung Fiktion Kongo ein. Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse ist das Ergebnis einer mehrmonatigen Recherche in der kongolesischen Community in Zürich und Umgebung. Dabei wurde sehr schnell deutlich: Das äussere Erscheinungsbild und die Inszenierung desselben spielen eine zentrale Rolle in der kongolesischen Gesellschaft und dienen dazu, sich in der Community zu behaupten – nicht nur in der DR Kongo, sondern gleichermassen in der europäischen und schweizerischen Diaspora. Doch wie manifestiert sich dieses Phänomen und worin liegen die Unterschiede zwischen der DR Kongo und der Diaspora in der Schweiz?

Fiona Bobo, im Kanton Zürich aufgewachsen, ist Tochter eines Kongolesen und einer Schweizerin. Sie studiert Soziale Arbeit an der ZHAW (Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaft), von 2012 bis 2016 war sie Studentin der Medialen Künste im Departement Kunst und Medien an der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste). Während ihres Kunststudiums beschäftigte sie sich vor allem mit Fragen zu ihren kongolesischen Wurzeln und den kulturellen Unterschieden zwischen der Schweiz und der DR Kongo. Das Interesse am Menschen und den Geschichten, die hinter ihnen stehen, war dabei immer zentral und diente Fiona Bobo als Schlüssel zu den jeweiligen Sphären. Als sie 2012 mit ihrem Vater und Bruder nach Kinshasa reiste, war sie von der urbanen Architektur und Lebensweise in der Grossstadt fasziniert. In den folgenden Jahren beschäftigte sie sich vermehrt mit Sujets dieser Art. Ihre Reise und ihre familiären Bindungen führten zu einem engen Austausch mit Freunden und Verwandten vor Ort, mit denen sie über nationale Grenzen hinweg für ihre Kunstprojekte zusammenarbeitet. So entstand beispielsweise die Arbeit Chaises bleues, für die sie ihren Cousin über Facebook beauftragte, mit dem Handy sämtliche blauen Plastikstühle abzufotografieren, die in Kinshasa an jeder Ecke stehen und das Stadtbild deutlich prägen. Dabei spielten die spezifische Sicht ihres Cousins auf die Objekte sowie sein Umgang mit der Aufgabe und der Kamera eine zentrale Rolle. In ihrer Abschlussarbeit BWANIA führte die Künstlerin in gewissem Sinn ihre früheren Arbeiten zusammen, wobei sie sich als Individuum nun stärker miteinbezog. Die Arbeit ist als Installation konzipiert, im Kern ein Video von der Beerdigung der Grossmutter in Kinshasa. Das Video, das Verwandte in Auftrag gaben, zeigt die komplette, 24-stündige Beerdigungszeremonie, bei der alle Familienmitglieder massgeschneiderte Trauerkleidung aus demselben Stoff trugen. Eine Tante der Künstlerin hatte ihr auf Wunsch ein Kleid aus dem Stoff geschneidert und dieses in die Schweiz geschickt. Damit inszenierte sich Fiona Bobo auf verschiedenen Fotos selbst, welche ebenfalls Teil der Installation sind. Bei einem weiteren Element des Kunstwerks steht die Selbstinszenierung der kongolesischen Bevölkerung im Fokus. Hierfür fotografierte ihr Cousin auf der Strasse Menschen in auffälligen Markenkleidern.

Die Themen Mode, Inszenierung und Identität sind für Fiona Bobo ein wiederkehrendes Motiv und gewissermassen der rote Faden in ihrem künstlerischen Schaffen. Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen und der partizipatorische Ansatz als explizite Schaffensform sind zentral in ihren Arbeiten, was auch in der Kooperation mit der kongolesischen Diaspora in der Schweiz zum Ausdruck kommt.

Fabrice Mawete, aufgewachsen im Kanton Schwyz als Sohn kongolesischer Eltern, ist studierter Sozialpädagoge. Für die Zusammenarbeit mit den hier in der Diaspora lebenden Kongolesinnen und Kongolesen anlässlich der Ausstellung Fiktion Kongo nahm er die zentrale Rolle des Vermittlers ein: Er stellte den Kontakt zu kongolesischen sape-Vertretern und anderen Mitgliedern der kongolesischen Community in der Schweiz her und führte Gespräche auf Französisch/Lingala mit ihnen, um die Haltungen zum Thema sapeur in der schweizer-kongolesischen Community zu eruieren. Ausgangsorte für die Recherche waren zentrale Treffpunkte der Community, wie der Frisörsalon «Flory» und andere Einrichtungen im Langstrassenquartier Zürichs. Durch diese Arbeit lernte Fabrice Mawete die Community aus einem neuen Blickwinkel kennen und konnte sich vertieft mit seiner eigenen Identität auseinandersetzen.

Antonin Wittwer, Bachelor in Design, Film und Kunst an der Hochschule Luzern, übernahm die filmische Leitung im Projekt. Sein Schwerpunkt liegt auf der dokumentarischen Erarbeitung filmischer Porträts von Menschen in ausserordentlichen Lebensumständen. In seiner Abschlussarbeit Anders Als Andere (Dokumentarfilm, 20 Min.) beispielsweise porträtierte er Stammgäste in der Kneipe seiner Grossmutter. Während seiner mehrjährigen selbstständigen Tätigkeit sammelte er zudem Erfahrungen in den Bereichen Dokumentarfilm und Musikvideo. Für das Projekt hielt er Meinungen und Stimmen sowie Eindrücke aus dem Leben und den Festlichkeiten der kongolesischen Community filmisch fest.

Für Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse stand die Frage im Vordergrund, welchen Stellenwert Stil und Eleganz in der Diaspora haben, wie diese Aspekte gelebt werden und inwiefern sie möglicherweise identitätsbildend sind. Anhand von Interviews mit «Schlüsselfiguren» wie den sapeurs, aber auch durch den Besuch von Festen und Hochzeiten der Community mit ihren pompös gekleideten Teilnehmern versuchten die am Projekt Beteiligten, Einblick in das Thema zu gewinnen. Bei diesem Prozess handelt es sich um eine subjektive Annäherung.

La sape (Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes) ist ein Modephänomen aus den urbanen Zentren Brazzaville und Kinshasa. Die Mitglieder dieser fiktiven Gesellschaft bezeichnen sich als sapeurs und sehen sich verpflichtet, sich elegant beziehungsweise ausgefallen zu kleiden. Ihre Geschichte lässt sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, in die Zeit der ersten Begegnungen mit den Franzosen im kolonialen Kontext. Angesichts der Degradierung des schwarzen Körpers durch die Europäer sah man im westlichen Kleidungsstil zum einen eine Möglichkeit, den eigenen Status in der kolonialen Gesellschaft zu steigern. Zum anderen wurden bereits damals Kleidungsstücke als Tauschmittel zwischen den einheimischen Gruppen und diversen europäischen Expeditionsführern eingesetzt. Spätestens ab den 1920er-Jahren wurden kongolesische Hausangestellte vermehrt mit getragener Kleidung entlohnt. So gesehen handelt es sich bei der heutigen Generation der sapeurs um die vierte oder sogar fünfte Generation.1

Die sapeurs in der DR Kongo haben einen nahezu heldenhaften Status, der oftmals auch mit christlichen Tugenden verbunden wird, wie Daniele Tamagni schreibt: «non-violence, good education, the dialogue of generous spirit and a passion for all the values that must be integral to be a true sapeur».2 La sape steht bei den Kongolesinnen und Kongolesen also für eine elegante Haltung, zu der ein ebenso elegantes Verhalten und Auftreten gehören. Tamagni: «In the Congo elegance is very important. Perhaps in no other country is a sense of style so crucially identified with its own cultural history. A significant part of this heritage is the Sape and the Sapeurs».3 La sape verkörpert Stolz und Selbstbewusstsein der kongolesischen Kultur und ist ein massgebendes Element für die Identität und Zugehörigkeit zur Community. Die Fotoreportage Gentlemen of Bacongo von Daniele Tamagni und die eindrückliche Fotoserie Vanité apparente von Yves Sambu geben einen authentischen Einblick in die sape-Szene der DR Kongo. Schnell wird dem Betrachter bewusst, dass der ästhetisch-visuelle Kontrast zwischen dem sapeur und seinem Umfeld hier in der aufgeräumten Schweiz ein ganz anderer ist als in der DR Kongo, wo die Eleganz der sapeurs deutlich kontrastiert mit dem urbanen Umfeld der Grossstädte, in denen die Infrastruktur teilweise mangelhaft ist. In der Schweiz ist es eher der Kontrast zwischen den sapeurs und weiteren Mitgliedern der kongolesischen Diaspora und der hiesigen, eher modesten Modekultur.

Während des Projektes wurde auch über die zum Teil scharfe Kritik an den sapeurs diskutiert, die von den Diasporamitgliedern selbst kommt. Für viele in der Diaspora lebende Kongolesinnen und Kongolesen steht la sape für eine gewisse Oberflächlichkeit und sie bemängeln zum Beispiel, dass Mode für die sapeurs eine deutlich grössere Rolle zu spielen scheint als familiäre und gemeinschaftliche Werte.

Was im Zuge der Recherche auffiel, war, dass die Schweizer sapeurs vielleicht doch auch eine Prise der lokalen Zurückhaltung abbekommen haben: Ihre Outfits stammen zwar von den neuesten Kollektionen der grossen Modehäuser und sind sehr elegant, passen sich aber auch dem zeitgenössischen Kleidungsstil in der Schweiz an. Vielleicht lebt die sape-Bewegung schlussendlich gerade von Paradoxien, und möglicherweise gibt erst die kontrastvolle Kulisse der Kreativität ihren freien Lauf, wie Paul Goodwin feststellt: «It is at once a throwback to a lost world of pre-colonial elegance and decadence. At the same time it is also futuristic and even a little freakish given the extremity of the urban conditions in which many of the sapeurs live, particularly in the Congo. Le sape is a movement of contradictions and paradoxes.»4

Zu guter Letzt ist es dem Projekt ein Anliegen, den gesellschaftlich-kulturellen Blick zu öffnen:

Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse bietet eine Möglichkeit, die Stimme der lokalen Kongolesinnen und Kongolesen über das Thema «Design und Eleganz» zu akzentuieren und einen Überblick über die hierzulande sehr ausgeprägte Community zu erhalten. Daraus ist ein Werk entstanden, das zum Nachdenken anregt: über individuelle Geschichten zur Identität, zur Migration und zum lokalen Zusammenleben bis hin zu moralischen Fragen. Womöglich gelingt es sogar über das Projekt hinaus, dass wir Extravaganz in unserem Alltag in neuen Zusammenhängen wahrnehmen.

Quelle:
Falletta, Laura: Fiona Bobo: Mvuatu-Mboka Na Biso – et la Suisse. Kongolesische Diaspora im Gespräch über Mode und Identität in der Schweiz. in Nanina Guyer und Michaela Oberhofer (Hg.): Fiktion Kongo. Kunstwelten zwischen Geschichte und Gegenwart. Zürich: Museum Rietberg / Scheidegger & Spiess, 2019

Download: Katalog Fiktion Kongo (PDF)

1

Gondola, 2010.

2-4

Tamagni, 2009.

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