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Hans Himmelheber der Feminist – Eine Rede zur Eröffnung der Ausstellung Fiktion Kongo

Susanne Himmelheber
17.03.2023

Guten Abend meine Damen und Herren,

Ich möchte eine kleine Rede halten zum Thema «Hans Himmelheber und die Frauen», oder besser «Hans Himmelheber, der Feminist». 
Anhand von drei Frauengenerationen möchte ich diese These, die Ihnen vielleicht gewagt erscheint, belegen. Es hat auch ein wenig mit der Stadt Zürich zu tun.

Hans Himmelhebers Mutter – verheiratet mit einem badischen Möbelfabrikanten – hatte sieben Kinder geboren: immer brav alternierend Bub, Mädchen, Bub, Mädchen usw. bis zum Jüngsten, das war der Hans. Sie war eine sehr liebevolle Mama – unser Vater erzählte gern, wie sie aus einer alten Reichsfahne eine Akrobatenhose für ihn schneiderte, mit der er dann auf der Glatze seines Vaters balancierte.

Es war sicher eine glückliche Familie, aber von ihren Freundinnen wußte Luitgard Himmelheber, daß es noch anderes gab als eine Kinderschar groß zu ziehen. Diese Freundinnen taten etwas, das Frauen im Deutschen Kaiserreich nicht möglich war: Sie studierten in Zürich, manche promovierten und ergriffen einen Beruf – Historikerin, Chemikerin, Politikerin, zu diesen Studentinnen gehörten Ricarda Huch, Marie Baum und eine dritte, deren Namen ich gerade vergessen habe – vielleicht fällt er mir oder Ihnen bis zum Ende meiner Rede ein.

Deutsche Universitäten verlangten für die Immatrikulation ein staatlich anerkanntes Abitur. Da Mädchen der Zugang zum Gymnasium verwehrt war, konnten sie nicht regulär studieren. Zwei verschiedene Richtungen in der Frauenbewegung suchten den Weg an die Universitäten zu öffnen: eine gemäßigte befürwortete Lehrerinnenseminare, um so allmählich die Mädchenbildung zu verbessern, die radikale Richtung forderte gleichwertige Gymnasien für Mädchen und Buben. Sie erhoffte von der Gleichberechtigung an den Universitäten bessere Ärztinnen, Juristinnen – vielleicht auch Völkerkundlerinnen – und zu dieser Fraktion gehörte unsere Großmama. Gemeinsam mit anderen Frauenrechtlerinnen gründete sie in Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium: 1899 legten hier die ersten Schülerinnen das Abitur ab. Im Sommersemester 1900 studierten die ersten Studentinnen an den beiden badischen Universitäten Heidelberg und Freiburg. Es wurden später berühmte Ärztinnen, Juristinnen, Zoologinnen, Nationalökonominnen, Kunsthistorikerinnen (auf Nachfrage nenne ich gern Namen!).

Das war aber nur der erste Schritt auf Luitgard Himmelhebers Weg zur Gleichberechtigung – der nächste war das allgemeine Stimmrecht – auch davon erhoffte sich der radikalere Flügel der deutschen Frauenbewegung eine bessere Welt und vor allem Weltfrieden. Aber als sie das Wahlrecht 1918 endlich erhielten, wählten die meisten bürgerlichen Frauen dann doch lieber Vertreterinnen der konservativen Parteien. In Karlsruhe jedoch eroberte Luitgard Himmelheber für die linksliberale DDP einen Sitz im Stadtrat – sie war die erste weibliche Stadtverordnete. Daneben buk sie wie jede badische Hausfrau in der Adventszeit Weihnachtsgutsele und schickte sie ihrem Jüngsten nach Afrika, wo sie dann pünktlich an Ostern ankamen. Soviel zu den Tugenden seiner Mutter, die unser Vater sehr verehrte.

Sicher finden sich in seinen Tagebüchern aus den 30er Jahren verschiedene Frauennamen – aber die überspringen wir und kommen zu jener Frau, die er am Ende des Krieges traf: Ulrike Fischer, geb. Roemer. Sie hatte wirklich alle Eigenschaften, die er besonders schätzte: Witz, Geist und vor allem Anmut. Anmut war für unseren Vater eine Tugend – und nicht nur für ihn. Ihre Anmut konnte auch zum Türöffner werden zum Beispiel auf dem Monte Verità beim Baron von der Heydt.1

Seiner Uli diktierte er seine Manuskripte in die Schreibmaschine (das erste Wort, das ich in meinem Kinderbettchen lernte war «Komma», und bald schon gingen sie gemeinsam auf Forschungsreise nach Liberia – er überzeugte sie von der «Hälfte des Himmels», so daß sie das Buch Schwarze Schwester über Frauenleben in Afrika schrieb, ein Buch das noch heute lesenswert ist. Gemeinsam verfaßten sie eine Monografie über die Dan – und er bemühte sich im Haushalt zu helfen: So putzte er die Treppe – mit Schürze. In einer Professorenstadt wie Heidelberg eher unüblich und mir als Teenager sehr peinlich.

Da unsere Mutter mindestens so aktiv in Frauenvereinen war wie ihre Schwiegermutter, fanden sich bei uns Sonntagnachmittags zum Kaffee lauter alleinstehende berufstätige Frauen ein – nicht alle waren anmutig – aber das nahm er hin. Als die neue Frauenbewegung die Zeitschrift Emma herausgab, schenkte unser Vater seiner Frau zum Geburtstag ein Abonnement – ich glaube, sie fand das gar nicht so toll, es war ihr zu extrem. Auch als er zur großen Friedensdemonstration nach Bonn reisen wollte, war ihr das zu viel an außerparlamentarischer Opposition und sie weigert sich als gestandene SPD Wählerin ihm ein Butterbrot für die Zugfahrt zu schmieren – er schmierte es sich dann selbst und fuhr los.

Selbständige Frauen bewunderte er sehr, seien es Kunsthändlerinnen wie Lore Kegel, Galeristinnen wie Hanna Grisebach oder Museumsdirektorinnen wie Elsy Leuzinger. Manchmal vertat er sich etwas, so empfahl er seiner Enkelin zu Beginn ihres Studiums in Köln, «eine junge kluge Ethnologieprofessorin von ihm zu grüßen». Die Clara hat lange gesucht, bis sie herausfand, daß Frau Johansson schon lange emeritiert war – klug war sie immer noch, jung nur in der Erinnerung unsres Vaters.

Neidlos schätzte er es, wenn jemand etwas konnte, das ihm mißglückt war – wie das Flötenspiel meiner Schwägerin Barbara. Er wußte aus Erfahrung wie schwer es war – er hatte es selbst als Bub versucht – und nun schenkte erleichtert die alte Flöte seiner geliebten Schwiegertochter.

Ich komme jetzt zur dritten Frauengeneration, das ist jene, die Hans Himmelheber trotz seines biblischen Alters von 95 Jahren nicht mehr kennenlernte. Es sind jene Frauen, die seine von vielen Umzügen ramponierten Leitzordner in säurefreie Kästen sortieren, seine oft krakelige Schrift mit geheimnisvollen Abkürzungen entziffern, seine Forschungsrouten versuchen nach zu zeichnen, seine Sammlung so ausstellen, wie er es sich schöner nicht hätte wünschen können – und das in seinem bewunderten Rietbergmuseum.

Wir Atheisten haben ja ein etwas naives Verhältnis zum Himmel und so bin ich mir sicher, daß er jetzt da oben sitzt mit seiner Uli und ganz selig ist, daß so gescheite, geistreiche – und anmutige – Frauen seinen großen Nachlaß in ein geordnetes Archiv verwandeln.

Und – sozusagen als Mitbringsel aus dem Heidelberger Sammlungsschrank kommt hier eine Schachtel, deren Motto Hugo Wolfs Lied «Auch kleine Dinge können uns entzücken» sein könnte. Das war ein Lieblingslied von Rosa Luxemburg – jener Züricher Studentin, deren Name uns vorhin nicht einfiel – auch unser Vater hatte es sehr gern.

November 2019

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Diese Geschichte hat er mir als alter Herr erzählt, nachprüfen konnte ich sie – ehrlich gesagt – nicht.

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